Tierwohl von Anfang an
Rückblick Workshop Abkalbung und Geburtshilfe
Das Netzwerk Fokus Tierwohl veranstaltete gemeinsam mit dem AELF Ansbach einen Workshop zur Abkalbung und Geburtshilfe in Ansbach.
Tierarzt Dr. Wolfram Petzl referierte über den Ablauf einer natürlichen Geburt, Maßnahmen zur Vermeidung von Problemgeburten sowie über die Erstversorgung des Kalbes und der Kuh. Einen besonderen Schwerpunkt nahmen die praktischen Übungen am "Geburtssimulator" zur Korrektur unterschiedlicher Fehllagen, Haltungen und Stellungen sowie zum fachgerechten Auszug des Kalbs ein.
"Man muss in der Geburtshilfe viel wissen, um wenig zu tun"
Mit diesem Zitat des deutschen Humanmediziners Willibald Pschyrembel stieg Wolfram Petzl in seinen Vortrag ein. Er betonte, dass Schwergeburten im Zusammenhang mit Tierwohl zu sehen seien, zum einen für die Kuh, zum anderen für das Kalb. „Die Kälbersterblichkeit am 1. Lebenstag liegt bei 5 bis 7%, der Gründe dafür sind oft ein Stocken im Geburtsverlauf oder eine ineffektive Geburtsüberwachung. Kühe haben nach Schwergeburten oft Probleme mit Nachgeburtsverhaltung. Dies führt häufig zu Gebärmutterentzündungen und Fruchtbarkeitsproblemen,“ erläuterte Petzl.
Aus Sicht des Tierarztes beginnt die Vermeidung von Schwergeburten bereits bei der Belegung des Muttertieres. Folgende Regeln seien unbedingt zu beachten: „Die Erstbelegung eines Rindes sollte mit 60% des zu erwartenden Körpergewichts der Kühe erfolgen, da zu frühes oder zu spätes Belegen das Risiko von Schwergeburten erhöht. Außerdem sollte bei der Bullenauswahl darauf geachtet werden, dass ein günstiges Kalbeverhalten vererbt wird.“
Für die Geburt müsse ein sauberer, ruhiger und von kranken Kühen abgetrennter Abkalbebereich zur Verfügung stehen. Zur Geburtsüberwachung solle alle zwei bis drei Stunden nach dem Tier geschaut werden, was auch mit technischen Lösungen wie Kameras oder Sensoren (Wiederkauaktivität, Körpertemperatur) unterstützt werden könne, so Petzl.
Die Aufweitungsphase sei bei Kühen nach spätestens drei Stunden abgeschlossen, bei Erstkalbinnen könne es doppelt so lange dauern. Erst wenn die Schultern (wenn das Kalb mit dem Kopf voran kommt) sichtbar seien, beginne die kritische Phase, bei der der Nabel des Kalbes im Becken der Kuh angekommen sei. Bis dahin sei das Kalb sicher über die Nabelschnur versorgt. Als wichtige Faustregel nannte Petzl, dass ca. 6 Stunden nach dem Blasensprung das Kalb geboren sein solle. „Ein Eingreifen ist erforderlich, wenn kein Geburtsfortschritt zu erkennen ist, also zum Beispiel wenn bei Kühen 1 bis 2 Stunden nach dem Fruchtblasensprung die Gliedmaßen des Kalbes nicht in der Scheide sichtbar werden“, erläuterte Petzl.
Geburtshygiene
Ganz wichtig ist es, sich ein Zeitlimit von 20 bis 30 Minuten zum Korrekturversuch zu setzen. Tierärzte hätten zum einen die Möglichkeit mit Medikamenten zu unterstützen, und zum anderen sie ein Kaiserschnitt manchmal die beste Option, appellierte Dr. Petzl an die Teilnehmer
Korrekturen sollten immer am stehenden Tier erfolgen, da dafür dann mehr Platz im Bauchraum sei. Die Geburt bzw. der Auszug des Kalbes solle dagegen erfolgen, wenn die Kuh liege. Dabei verändere sich der Beckenquerschnitt und biete mehr Platz für das Kalb.
Für den Auszug sollten höchstens 2 Personen eingesetzt werden, damit die Kräfte nicht zu stark seien. „Nur während der Presswehen ziehen“, betonte Dr. Petzl. Warme Scheidenduschen unterstützten die Aufweitung, zum Schutz des Dammes könne mit der Hand Gegendruck von außen erzeugt werden. „Der mechanische Geburtshelfer dürfe nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden“ sagte der Tierarzt. (Link zum Video siehe unten, Anm. der Red.).
Nach diesem sehr interessanten und informativen Vormittag ging es nachmittags an die praktischen Übungen. In Zweierteams wurden Geburtssituationen am Kuhmodell nachgestellt und gelöst. Zudem gab es Tipps zur Erstversorgung des Kalbes: Es wurde unter anderem gezeigt, wie Schleim und Fruchtwasser aus den Atemwegen gesaugt werden können. Wichtig dabei sei, so Dr. Petzl, dass diese Pumpe nur zum Absaugen von Schleim und nicht zum Beatmen verwendet wird, dabei könnten Schleim- und Fruchtwasserreste tief in die Lunge gepresst werden.
Alle Teilnehmer waren gefordert, konnten ihre Fähigkeiten erweitern und waren sichtlich motiviert und interessiert. Ihr Fazit: Tierwohl fängt schon bei der Geburt an!
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