Starker Befall im Jahr 2023
Neue Krankheiten in Zuckerrüben und Kartoffeln

Rübenpflanzen auf Feld und HorizontZoombild vorhanden

Stark befallener Rübenschlag

Betriebe mit Zuckerrüben werden oft mit Unbehagen auf die Saison 2023 zurückschauen und mit Hoffen und Bangen in das neue Anbaujahr starten. Der Grund dafür sind zwei neue Krankheitserreger. Sie führen je nach Vorkommen zu deutlich niedrigeren Zuckergehalten in den Rüben, können aber auch den absoluten Ertrag deutlich dezimieren.

Zudem traten weiche Rüben, die sog. Gummirüben, auf, die schlechter zu lagern und verarbeiten sind. Glücklicherweise glich der hohe Rübenpreis wieder einen Teil der Verluste aus. Wenn nicht rasch Maßnahmen gegen diese Erreger gefunden werden, die den Befall nachhaltig reduzieren, wird die Anbauwürdigkeit der Zuckerrübe in Frage gestellt.

Zu allem Überfluss können die neuen Erreger auch die Kartoffeln befallen und deren Anbau gefährden. In den betroffenen Gebieten kam es auch hier schon zu ersten Schäden. Warum treten diese Krankheiten nun so massiv und flächendeckend auf?

Vorab aber noch eine Bemerkung:

Dieser Artikel ist keine wissenschaftliche Abhandlung. Ihn sollen auch Personen verstehen, die nicht mit dem Anbau von Rüben oder Kartoffeln vertraut sind. Wer detaillierteres Wissen will, wird auf die unten stehenden Links und weitere Infos im Internet verwiesen.

Bakterielle Zuckerrübenkrankheit "SBR" und Stolbur-Erreger

Beim ersten der beiden Erreger handelt es sich um die bakterielle Zuckerrübenkrankheit "SBR" (Syndrome Basses Richesses – Syndrom der niedrigen Zuckergehalte).

Ausbreitung von West nach Ost

  • Der SBR-Erreger wurde schon 1991 im Burgund/Frankreich entdeckt.
  • 2007 erfolgte dann der Erstnachweis in Deutschland (Baden-Württemberg).
  • Im Jahr 2019 konnte der SBR-Erreger erstmals in Bayern an Zuckerrüben nachgewiesen werden. Er hat sich seither fast über ganz Bayern ausgebreitet.
Verfaerbung Der LeitbahnenZoombild vorhanden

SBR-Symptom im Rübenkörper

Besonders betroffen sind derzeit in Bayern die unterfränkischen Anbauer sowie die Betriebe im nordwestlichen Mittelfranken (Uffenheimer Gau, Landwehr). Aber auch im Donauraum und den Gäulagen Südbayerns findet sich erster Befall.
Beim zweiten Erreger handelt es sich um den Stolbur-Erreger, der bisher vor allem im Westen Deutschlands an Kartoffeln aufgetreten ist und nun 2023 neben den Kartoffeln auch die Zuckerrüben massiv befallen und geschädigt hat. Auch dieser Erreger (ebenfalls ein spezielles Bakterium) ist schon länger bekannt, der plötzliche und fast flächendeckende Befall hat allerdings alle Beteiligten überrascht.
Weitere Details finden Sie in den untenstehenden Links.

Der wichtige Blick auf den Überträger

Was sind die Ursachen für das massive Auftreten dieser Krankheiten? Hier hilft ein Blick auf den Überträger, die Schilfglasflügelzikade, ein unscheinbares Insekt, das keinen Zentimeter groß ist. Diese Zikade ist, einmal infiziert, zeitlebens Überträger der Erreger. Den SBR-Erreger kann sie sogar direkt an ihre Nachkommen weitergeben. Die Zikade ist sehr mobil, wird aber wohl stark durch den Wind weitergetragen und der eigene aktive Flug erfolgt nur begrenzt im Umfeld. Deshalb waren 2023 Schläge in einem Windschatten (Waldeck o.ä.) oft weniger stark befallen als in der offenen Flur. Dies kann auch die überregionalen Ausbreitungsschneisen erklären. Die Zikade fliegt meist von Ende Mai bis August über einen Zeitraum von ca. drei Monaten. Bisher stellt der Juli den Schwerpunkt dar.

Wie schädigen Zikaden die Pflanzen?

  • Zikaden saugen an den Blättern. So übertragen sie die Erreger auf die Rüben.
  • Zudem legen sie ihre Eier in das Rübenfeld ab. Die daraus schlüpfenden Larven (sog. Nymphen) saugen an den Wurzeln der Rüben und übertragen die Erreger weiter.
  • Nach der Ernte bleiben sie im Boden.
  • Sie fliegen im nächsten Jahr wieder aus dem Feld und dann in die neuen Rüben oder auch in die Kartoffeln, um diese dann zu infizieren.
Aus stark befallenen Feldern können im Folgejahr deutlich mehr als 100.000 Zikaden pro Hektar ausfliegen, also eine ungeheuerliche Menge, die für die Verbreitung der Erreger sorgt.

Ist der Klimawandel schuld?

Die Zikade profitiert in ihrer Ausbreitung von einer längeren, trocken warmen Witterung während der Flugzeit. Wäre es hier kühl und regnerisch, würden die Zikaden dezimiert. Blicken wir auf 2022 und 2023 zurück, hatten wir ideale Flugbedingungen für die Zikaden: Wärme und Trockenheit von Mitte Mai bis Ende Juli. Außerdem litten die Rüben unter Trockenstress und waren damit anfälliger. Die Zikade ist sicher bisher eine Profiteurin des Klimawandels gewesen. Die bei uns nun häufigere Vorsommertrockenheit fördert ihre Flugaktivität, ihre Ausbreitung und Vermehrung.

Was hilft gegen Erreger und Überträger?

Zunächst muss vorangestellt werden: Viele Forschungsprojekte laufen, um diesen Schadkomplex samt Bekämpfungsmöglichkeiten zu erforschen. Denn ehrlich gesagt: Es gibt derzeit fast mehr Fragen als Antworten, viele Vermutungen, aber keine nachhaltige und schnelle Lösung des Problems.
Zunächst sah es eigentlich gut aus. Man konnte gegen den SBR-Erreger relativ schnell robustere Sorten bereitstellen, die einen Befall zumindest gut tolerieren, wenn auch nicht gänzlich verhindern. Damit hätte man einigermaßen gut leben können, aber dann kam 2023 der Stolbur-Erreger hinzu. 2023 waren zwar auch diese SBR-toleranten Sorten noch die besten, sind aber auch mehr oder weniger stark eingebrochen. Die Sortenzüchtung scheint derzeit zwar weiterhin der vielversprechendste Weg zu sein, um den Krankheiten zu begegnen. Bis robuste Sorten verfügbar sind, wird es aber etwas dauern.

Zikaden nicht direkt bekämpfbar

Die Zikaden als Überträger können derzeit nicht effektiv bekämpft werden. Es gibt keine zugelassenen Wirkstoffe, die diese Insekten ausreichend erfassen. Außerdem erschweren die Mobilität der Zikaden und ihr Saugverhalten eine direkte Bekämpfung grundsätzlich. Das kennen wir auch aus anderen Kulturen wie dem Getreide.
Ein Ansatz ist derzeit noch die Fruchtfolge. Versuche zeigen: Ein Nachbau von Mais nach Rüben reduziert die Anzahl der ausfliegenden Zikaden im Vergleich zu nachgebautem Winterweizen erkennbar. Er kann sie aber auch nicht verhindern.

Ansonsten werden noch weitere Ansätze wie Bodenbearbeitung oder bestimmte Stoffe geprüft, die die Rüben stärken bzw. die Zikaden von der Fläche fernhalten sollen. Exaktversuche werden ab 2024 durch Modellregionen ergänzt. Dort werden Maßnahmen auf Praxisflächen in abgegrenzten Gebieten in größerem Umfang erprobt.

Auch Kartoffeln gefährdet

Die beiden Krankheiten werden von den Zikaden auch in die Kartoffeln eingetragen. Sie können dort zu Ertragsrückgängen und weichen Knollen (sog. Gummiknollen) führen. Stärkerer Befall beeinträchtigt das Auskeimen, so dass sichtbarer Befall in angemeldeten Pflanzgutbeständen zu deren Aberkennung führt. Die Ernte kann also nicht mehr zu höheren Preisen als Pflanzgut vermarktet werden. Derzeit sind die klassischen Kartoffelanbaugebiete in Bayern noch nicht nennenswert betroffen, die Streulagen in den genannten Rübenanbaugebieten dagegen schon.
Abschließend muss noch betont werden, dass die Krankheiten den Verzehr der Produkte in keiner Weise einschränken, sie sind für den Menschen ohne jede direkte Gefahr.

Wie geht es weiter?

Derzeit herrscht das Prinzip Zuversicht und Hoffnung vor, dass es gelingt, schnell wirksame Maßnahmen gegen die Zikaden und Krankheitserreger zu finden. Alle Beteiligten, von Forschung bis Industrie, von Anbauverbänden über Landesanstalten bis zu Ministerien arbeiten mit Hochdruck daran, hier Lösungen zu finden. Ein massiver Rückgang des Zuckerrüben- und Kartoffelanbaus würde jedenfalls weitreichende Folgen für die landwirtschaftlichen Betriebe, die verarbeitende Wirtschaft und die Ernährungssicherheit haben. Die dynamische Ausbreitung der beiden Krankheiten zeigt uns, dass gesicherte Ernten nicht selbstverständlich sind, sondern vielfältig bedroht sein können, nicht zuletzt auch durch den Klimawandel und damit einhergehend von bisher nicht relevanten Krankheiten und Schädlingen.

Forschung, Versuchswesen, Pflanzenzüchtung und Pflanzenschutz müssen deshalb auch die entsprechende Unterstützung, finanzielle Ausstattung und Wertschätzung erhalten, um unsere Ernährung zu sichern.