Rückblick zum Online- und Praxisseminar
Kuhgebundene Kälberaufzucht
Kühe und Kälber gemeinsam im Stall ist für viele ein ungewohnter Anblick. Um den Tieren wieder mehr artgerechtes Verhalten zu ermöglichen, gibt es mittlerweile Milchviehbetriebe, die auf die kuhgebundene Kälberaufzucht setzen. Das Netzwerk Fokus Tierwohl und das AELF Ansbach haben dazu im Juli 2022 eine Infoveranstaltung in Theorie und Praxis angeboten.
Für die kuhgebundene Aufzucht existiert kein Standardverfahren. Wie das Management auf dem Betrieb gestaltet wird, hängt zum einen von den stallbaulichen Gegebenheiten und zum anderen von den Vorstellungen der Landwirtinnen und Landwirte ab.
Je nach Dauer und Zeitpunkt des Kontakts von Kälbern und Kühen ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an den Stall. Der Überbegriff für alle diese Verfahren ist kuhgebundene Aufzucht.
Welche Systeme es gibt und was man bedenken muss, wenn man in die kuhgebundene Kälberhaltung einsteigen möchte, zeigte Dr. Kerstin Barth vom Thünen-Institut in einem Online-Vortrag.
Betriebsbesichtigungen
Am folgenden Tag besichtigten interessierte Landwirte zwei Betriebe mit kuhgebundener Aufzucht.
Gelbvieh im Tierwohlstall mit muttergebundener Aufzucht
Der erste Betrieb liegt im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Eine Besonderheit dieses Betriebes: Die Betriebsleiterfamilie erhielt 2021 für ihren Stallneubau den bayerischen Tierwohlpreis. Der Stall wurde auf das Konzept der kuhgebundenen Kälberaufzucht ausgerichtet.
Die Kälber werden von den eigenen Müttern aufgezogen, dabei bleiben sie für die ersten 4 bis 6 Wochen zusammen. Danach ziehen die Kälber in die "Kindergartengruppe" und die Kühe in die Kuhgruppe um. In dieser Phase kommen die Kühe zeitlich begrenzt noch zu ihren Kälber in das Abteil. Die Kälber haben aber über die Abtrennung noch Kontakt zu den Müttern. Die direkte Kontaktzeit wird immer kürzer. Mit 12 Wochen werden die Kälber dann abgesetzt. Durch diese langsame Entwöhnung wird versucht, den Stress für Kalb und Mutter möglichst gering zu halten.
Die Kühe werden die gesamte Aufzuchtzeit über morgens und abends gemolken.
Kuhgebundene Aufzucht nachträglich eingerichtet
Der zweite Betrieb liegt im Landkreis Ansbach. Der Stall steht schon länger und verfügt über ein automatisches Melksystem. Die Möglichkeit zur kuhgebundenen Kälberaufzucht wurde vor einigen Jahren geschaffen.
Die ersten Tage verbringen die Kälber mit ihren Müttern in der Abkalbebucht. Danach zieht eine der Mütter mit einem oder zwei weiteren Kälbern in den Aufzuchtbereich um. Hier haben zwei Kühe mit den jeweiligen Kälbern zwei Boxen zu Verfügung. Eine der Boxen ist nur für die Kälber über einen Schlupf zu erreichen und mit einem Großraumiglu ausgestattet. Nach 12 Wochen Aufzucht kommen die Kälber in den Kälberstall und die Kühe in die Herde.
Kälber, die nicht für die eigene Nachzucht am Betrieb bleiben, werden in Einzeliglus mit Eimertränke bis zur Vermarktung großgezogen. Dies erleichtert Aufzüchter und Kälbern die weitere Aufzucht.