Projekt Gesundheit und Robustheit
Zucht auf Tiergesundheit – ein züchterischer Beitrag zu mehr Tierwohl
Typisiertes Kalb
Tiere zu züchten, die den zukünftigen Anforderungen der Tierhaltung entsprechen, ist die Kernaufgabe der Rinderzucht. Steigende Bestandsgrößen, zunehmende Arbeitsbelastung der Tierhalter, mehr Tierwohl und eine gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung.
All diese Themenfelder werden zusammen im Projekt Gesundheit und Robustheit (GundR) berücksichtigt. Der Freistaat Bayern unterstützt dieses Projekt und fördert Betriebe der Rinderzucht mit einer finanziellen Unterstützung der Typisierung ihrer Jungtierbestände seit Juli 2022. 69 Betriebe mit ca. 7000 Kühen beteiligen sich aktuell aus Unter- und Mittelfranken an diesem Projekt.
Was bringt dieses Projekt konkret den Landwirten und der Gesellschaft?
Wir haben bei Verena Hußmann, Milchviehhalterin und Fleckviehzüchterin aus Feuchtwangen-Bretzenberg nachgefragt.
Warum sind Sie dabei?
Wir bewirtschaften einen Betrieb mit 140 Kühen. Wir haben langlebige Kühe und eine niedrige Remontierungsrate, daher benötigen wir wenig Jungvieh als Nachersatz in der Herde. Daher ist die so genannte Typisierung, das ist die genomische Untersuchung anhand einer Ohrstanzprobe, eine Selektionshilfe für uns. Über die Jahre hat es sich herausgestellt, dass das genomische Ergebnis in Kombination mit der Abstammung eines Tieres ein sehr hilfreiches Selektionskriterium ist.
Wie läuft die Typisierung konkret ab?
Bei der Typisierung wird die DNA eines Tieres mithilfe einer Ohrstanzprobe gezogen. Diese Probe kommt ins Labor zur GeneControl nach Grub in der Nähe von München. Die Probe wird an 54.000 Stellen untersucht. Eine Art Schablone oder Training Set von älteren Tieren, die bereits untersucht sind, dient als eine Art "Blaupause". Von diesem Training Set kann mit einer gewissen Sicherheit abgeleitet werden, ob ein Kalb gesund und robust veranlagt ist oder eben nicht. Man spricht von der sogenannten weiblichen Lernstichprobe.
Das Typisieren innerhalb der ersten Lebenswochen hat sich bei uns bewährt. So können wir sofort entscheiden, ob das Kalb später zur Mast oder als potenzieller Nachersatz für den Milchkuhbestand dienen soll.
Wie setzen Sie das in der Praxis um?
Das hört sich jetzt sehr theoretisch an...
Wir mussten uns selbst zuerst umgewöhnen. Es hat sich letztendlich aber als richtig erwiesen. Tiere, denen eine schlechte Eutergesundheit im Test nachgesagt wurde, haben dies meist auch bestätigt. Wir selektieren daher nach der Eutergesundheit, Milchmenge und auch nach Exterieur. Hier konnten wir beispielsweise feststellen, dass die Kälber, denen im Test zu kurze und zu dünne Striche nachgesagt wurden, diese dann im Jungkuhalter auch hatten.
Wir schauen uns deshalb fragliche Tiere genauer an. Die Selektion wird im Alter von sechs Monaten getroffen, ob ein Tier aufgezogen wird oder eben nicht.
Das genomische Profil erleichtert uns auch die Anpaarung von Jungrindern, da wir besser beurteilen können, welcher Bulle der passende Partner ist. Die Schwachstellen sind konkreter, man muss sich nicht mehr allein auf sein Bauchgefühl verlassen, so wie es früher ohne Typisierung der Fall war. Wir setzen viele unterschiedliche Bullen ein, um auch in der Herde einheitlicher zu werden.
Vor allem die Gesundheitsdaten in den Bereichen Eutergesundheit, Fruchtbarkeit, Stoffwechselkomplex, Kälberkrankheiten und Klauengesundheit sind zunehmend wichtig in einem wachsenden Betrieb.
Wie meinen Sie das, die Gesundheitsdaten werden immer wichtiger?
Unabhängig von diesem Projekt ist das Erfassen von Gesundheitsdaten enorm wichtig. Nur wenn diese Daten konkret vorliegen, werden sie auch konsequent genutzt. Beispielsweise sagt man immer vom Bauchgefühl her ein Kalb, das einen schlechten Saugreflex oder Durchfall hat, bringt später eine geringere Leistung und Langlebigkeit. Was früher Bauchgefühl war, wird jetzt konkret, da man den ganzen Lebenslauf eines Tieres zurückverfolgen kann.
Ist das nicht enorm aufwändig für einen Betrieb?
Ja, man hat Aufwand, da man die Gesundheitsdaten über die LKV-App eingeben muss. Am Anfang des Projektes habe ich gezögert: Wer soll das alles eingeben, habe ich mich gefragt. Mittlerweile hat sich das gut eingespielt, der Arbeitsaufwand ist maximal eine halbe Stunde in der Woche. Aber was man als Gegenleistung zurückbekommt, ist umso wertvoller. Ich habe mir das wesentlich schlimmer vorgestellt.
Konkret haben wir jetzt Zuchtwerte für die Gesundheitsmerkmale Zysten, Milchfieber, frühe Fruchtbarkeitsstörungen und Mastitis. Die gab es vor dem Start dieses Projektes nicht bzw. nur für Fleckviehbullen, die überwiegend Töchter in Österreich stehen hatten, da in Österreich schon viel früher mit dieser Datenerfassung begonnen wurde. Unser Klauenpfleger erfasst alle Klauen digital, da muss ich selbst nichts eingeben.
Man muss allerdings versuchen, diese Daten auch regelmäßig zu melden: Es bringt nichts dies nur einmal jährlich zu tun. Konsequente, regelmäßige Meldungen sind das A und O einer züchterischen Verwertung dieser Daten. So kann man auch Effekte ausfindig machen anhand konkreter Datenlage, früher war das nur ein subjektives Bauchgefühl ohne Beweis.
Welche Kosten fallen für die Teilnahme an diesem Projekt an?
Die Teilnahme kostet grundsätzlich nichts extra. Eine Typisierung eines Kalbes würde ohne das Projekt derzeit etwa 28 Euro kosten. Im Projekt zahlen wir nur 10 Euro pro Tier, der Freistaat Bayern unterstützt diese Untersuchung finanziell im Projekt. Wir würden es auch ohne diese Vergünstigung durchziehen, da uns die Daten weiterbringen.
Was bringt das Projekt der regionalen Fleckviehzucht?
Es wird überall erzählt das Fleckvieh die Fitnessrasse sei. Allein diese Aussage bringt uns aber in Sachen Marketing und Akzeptanz nicht weiter. Wir müssen konkrete Belege dafür liefern. Das Projekt mit den Gesundheitsdaten ist hier zielführend. Ansbach ist der wichtigste Auktionsstandort in Bayern, insbesondere für qualitative Zuchtbullen. Nicht nur die Quantität des Angebots, sondern auch die Qualität ziehen Käufer aus Nord- und Westdeutschland sowie aus den Benelux-Staaten an. Sie wünschen sich robuste, problemlose Tiere, die alt werden.
Mit diesem Projekt verstärken wir unseren Fokus auf fitnessstarke Tiere, die ihren Besitzern Freude an der täglichen Arbeit bereiten. Fleckvieh ist so auf bestem Wege, eine Viernutzungsrasse zu werden: Milch, Fleisch, Fitness und eine gesellschaftlich akzeptierte Rinderzucht ohne Extreme.
Würden Sie interessierten Berufskollegen raten, mitzumachen?
Wichtig ist bei einer Teilnahme, dass dies nur bei regelmäßiger Datenmeldung sinnvoll ist. Grundsätzlich sollten alle Fleckviehhalter daran teilnehmen. Eine möglichst große Datenmenge aus der kompletten Bandbreite aller Betriebstypen, vom intensiven Betrieb bis zum extensiveren Ökobetrieb. Es wäre schön, wenn alle Bewirtschaftungsformen abgebildet sind in der Datenerfassung. So können auch Umwelt-Genetik-Interaktionen besser geschätzt werden.
Sorge um Datenschutz muss sich niemand machen, es handelt sich bei der App um ein geschlossenes, anonymisiertes System, auf das nur mein Betrieb und das LKV Zugriff hat. Diese Sorge ist also unbegründet.
Andererseits würden zurückhaltende Kollegen, dann aber schon gerne von den gelieferten Daten der anderen Betriebe profitieren. Wer sich für seine Kühe interessiert, der nutzt diese Daten konsequent für sein Betriebsmanagement. Insbesondere im Jungviehbereich ist die Typisierung eine sehr gute Entscheidungshilfe sowohl zur Selektion als auch zur verbesserten Anpaarung.
Neben der automatischen Abstammungssicherung weiß man dann auch automatisch, ob ein Kalb Hornlosigkeit vererbt oder eben nicht, auch alle gängigen Erbfehler werden sofort mit untersucht sowie die Kaseinvarianten. Der Nutzen ist deutlich höher als der Aufwand, packen wir`s an!
Das Interview führte Karlheinz Gayer, AELF Ansbach, Zuchtleiter Rinderzuchtverband Franken.