Rückblick Kälberhaltung: Geburtshilfe, Fütterung und Stallbau
Tierwohl von Anfang an

Kälber in Einzeliglus

Das Ziel in der Kälberaufzucht sind gesunde, frohwüchsige Kälber, da die eigene Nachzucht zu gesunden und leistungsbereiten Jungkühen heranwachsen soll. Außerdem werden gut entwickelte Nutz- und Mastkälber auf den Märkten stark nachgefragt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Fütterung und Haltung genau auf die Bedürfnisse der Kälber ausgerichtet werden.

Zur Kälberaufzucht fand im Februar eine Veranstaltung mit Onlinevortag und Kälberstallbesichtigungen statt und Ende März ein Workshop zum Thema „Abkalbung und Geburtshilfe“.

Das AELF Ansbach führte am 27. März 2025 in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Fokus Tierwohl einen Workshop zur Abkalbung und Geburtshilfe durch.

Rückblick: Workshop Abkalbung und Geburtshilfe

„Man muss in der Geburtshilfe viel wissen, um wenig zu tun“

Mit diesem Zitat von Willibald Pschyrembel begann Dr. med. vet. Kristina Lipp-Radisic ihren Vortrag.
Sie referierte über den Ablauf einer natürlichen Geburt, Maßnahmen zur Vermeidung von Problemgeburten sowie über die Erstversorgung des Kalbes und der Kuh.

Geburtssimulator Kalb
Für die Geburt sollte ein sauberer, ruhiger und von kranken Kühen abgetrennter Abkalbebereich zur Verfügung stehen. „Geduld ist der beste Geburtshelfer !“ Diesen Leitsatz untermauert die Referentin mit dem zeitlichen Ablauf einer normalen Geburt: Die Aufweitungsphase ist bei Kühen nach spätestens drei Stunden abgeschlossen, bei Erstkalbinnen kann es doppelt so lange dauern. Erst wenn nach dem Kopf auch die Schultern sichtbar sind, beginnt die kritische Phase, bei der der Nabel des Kalbes im Becken der Kuh angekommen ist. Bis dahin ist das Kalb sicher über die Nabelschnur versorgt. Als wichtige Faustregel nannte die Tierärztin, dass ca. 6 Stunden nach dem Blasensprung das Kalb geboren sein solle.

Ein Eingreifen ist erforderlich, wenn kein Geburtsfortschritt zu erkennen ist, also z.B., wenn bei Kühen 1 bis 2 Stunden nach dem Fruchtblasensprung die Gliedmaßen des Kalbes nicht in der Scheide sichtbar werden. Sehr hilfreich bei der Geburtsüberwachung sind Kameras, mit Hilfe derer ein Blick auf die Tiere geworfen werden kann, ohne selbst in den Stall zu gehen. Dadurch werden die kalbenden Kühe zum einen weniger gestört, und zum anderen kann Zeit eingespart werden.

Geburtshilfe Workshop
Einen besonderen Schwerpunkt nahmen die praktischen Übungen am "Geburtssimulator" zur Korrektur unterschiedlicher Fehllagen, Haltungen und Stellungen sowie zum fachgerechten Auszug des Kalbs ein. Die Teilnehmer arbeiteten in 2er-Teams zusammen und führten die Geburtshilfe mit Hilfe der Ratschläge der Tierärztin und der Kollegen durch. Es wurden viele Problemfälle geübt, wie zum Beispiel eine Zwillingsgeburt, bei der die Gliedmaßen beider Kälber zu ertasten waren oder ein zurückgeschlagenes Bein, das mit einigen Tricks in die richtige Position gebracht wurde.

Rückblick: Aktuelles zur Kälberaufzucht – Haltung und Fütterung

Vom 26. Bis zum 28. Februar fand in Zusammenarbeit mit dem AELF Würzburg-Kitzingen eine Veranstaltung zur Kälberaufzucht statt. Diese war aufgeteilt in einen Vormittag mit Onlinevorträgen und 2 Tage mit Kälberstallbesichtigungen in Mittel- und Unterfranken. Die Vortragsveranstaltung beschäftigte sich mit den Themen Fütterung, Stallbau und kuhgebundene Kälberaufzucht

Fütterung und Kolostrummanagement

Frau Dr. Ingrid Lorenz vom Tiergesundheitsdienst Bayern betonte, dass der Erstversorgung der neugeborenen Kälber eine besondere Rolle zukommt. Kälber kommen ohne spezifische Immunabwehr zur Welt, da die mütterlichen Antikörper nicht über die Plazenta ins Kalb gelangen können. Daher ist ein gutes Kolostrummanagement unerlässlich, um den Kälbern eine starke Immunabwehr mit auf den Weg zu geben. Die Kälber sollten so schnell wie möglich 4l vom Erstgemelk bekommen.

Viel Milch für vitale Kälber

In den ersten 2 Lebenswochen brauchen die Kälber dann mindestens 8 l Milch pro Tag auf 2 bis 3 Mahlzeiten verteilt. Dr. Lorenz empfiehlt in den ersten 4 Lebenswochen den Kälbern über das Verfahren „ad libitum Tränke“ so viel (angesäuerte) Milch anzubieten, wie sie aufnehmen möchten, manche Kälber trinken 12 bis 16 l Milch pro Tag. Die hohen Milchmengen machen die Kälber zum einen widerstandsfähiger gegen Infektionen und zum anderen wachsen Organe wie Pansen, Darm und Euter schneller. Beides ist Voraussetzung für fitte, langlebige und leistungsbereite Tiere. Bis Ende der 12. Lebenswoche können die Kälber dann langsam von der Milch abgesetzt werden.

Stallsysteme für die zeitgemäße Kälberaufzucht

Die beiden Bauberater aus Mittel- und Unterfranken, Christian Blank und Klaus Hoffmann, teilten sich den Vortrag über die Aspekte des Stallbaus. Dabei wurden die gesetzlichen Vorgaben, die Empfehlungen der ALB Bayern und die Kriterien für eine Einzelbetriebliche Förderung erläutert. Im Anschluss daran wurden verschiedene Stallsysteme beschrieben und verglichen.

Tiefstreu, Liegeboxen oder Iglu?

Der klassische Tiefstreustall mit erhöhtem Antritt und dahinter liegender Tiefstreufläche hat oft das Problem, dass die Kälber in einem sogenannten „Ammoniaksee“ liegen und dadurch Atemwegserkrankungen bekommen können. Die hohe Ammoniakkonzentration bildet sich, wenn zu lange nicht ausgemistet wird und dadurch die Mistmatratze zu hoch wird. Liegeboxenställe für Kälber sind bei uns eher wenig verbreitet, dieses System kommt in strohärmeren Regionen wie dem Allgäu häufiger vor. Bei der Haltung in Kälberiglus sollten diese auf einer betonierten Fläche stehen und eine Überdachung als Witterungsschutz (für Mensch und Tier) haben. Dann kann diese Haltung vor allem für kleinere Tierbestände eine gute Lösung sein.

Holsteiner Kälberstall
Holsteiner Kälberstall: ein „Flachstreu-Stall“
Dieses Stallsystem wurde in den letzten 10 Jahren vielfach gebaut und hat sich bewährt. Der große Vorteil ist, dass durch die Bauweise mit umschwenkbaren Abtrennungen und einer mittigen 20 cm hohen Aufkantung einfach und schnell entmistet werden kann. Die Mistmatratze soll nur auf 15 bis 20 cm anwachsen. Die Kälber fangen „vorne“ an und rutschen dann immer weiter in die nächste Bucht, bis sie ausgestallt werden. Für die jüngsten wird oft ein herunterklappbarer Deckel eingebaut, unter dem sich ein zugluftfreies Kleinklima bildet.

Überblick über kuhgebundene Kälberaufzucht

Kathrin Schuster vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ansbach rundete die Veranstaltung mit einem kurzen Überblick über die kuhgebundene Kälberaufzucht ab. Sie erläuterte, dass die Kälber bei diesem Verfahren von ihren Müttern oder von Ammen aufgezogen werden. Wenn auf diese Art der Kälberaufzucht umgestellt werden soll, muss die ganze Familie und eventuell vorhandene Mitarbeiter dahinterstehen.

Wesentliche Punkte und Vorüberlegungen:

  • Geeigneter Stallplatz muss vorhanden sein oder geschaffen werden
  • Kälberschlupf einplanen
  • Pro Kalb muss mit 10 bis 15 kg Milch am Tag gerechnet werden
  • Intensive Tierbeobachtung und Euterkontrolle
  • Trennungsschmerz: Absetzen langsam planen
Die Arbeit wird dadurch nicht weniger, zusammenfassend könnte man sagen: Weniger Tränkeeimer waschen, mehr Tierbeobachtung.

Kälberstallbesichtigungen

Kälber in Kleingruppen
Besichtigungen im Landkreis Ansbach
Am ersten Tag ging es in den Umkreis von Merkendorf im Landkreis Ansbach. Vormittags wurde ein Kälberstall besucht, der für die kleineren Kälber Einzelboxen hat, die durch herausziehbare Trennwände zu Kleingruppen umfunktioniert werden können. Die größeren Kälber sind dann in einem Holsteiner System untergebracht.
Kuh mit Kälbern
Am Nachmittag ging es dann zu einem neu gebauten Milchviehstall mit kuhgebundener Aufzucht. Die Kühe bleiben mit ihren Kälbern einige Tage in der Abkalbebox. Diese befindet sich neben dem Melkroboter, so dass die Mütter einmal am Tag gemolken werden können. Dann entscheiden die Betriebsleiter, welche Kuh sich als Amme eignet, diese zieht dann mit ihrem Kalb und ein oder zwei weiteren Kälbern in den extra geplanten Bereich auf der anderen Futtertischseite. Dort haben die Kälber die Möglichkeit sich in den Kälberschlupf zurückzuziehen oder bei der Kuh in der Bucht zu sein.
Holsteiner Kälberstall
Besichtigungen in Bad Windsheim und Dettelbach
Am zweiten Tag wurden 2 klassische Holsteiner Kälberställe besichtigt. Die kleineren Kälber sind jeweils in Einzeliglus untergebracht. Daran anschließend ziehen die Kälber auf die gegenüberliegende Seite in das Holsteiner Stallsystem. Die Betriebsleiter sind sehr zufrieden mit ihren Kälberställen und dem einfachen und unkomplizierten Ausmisten.
Wir bedanken uns sehr herzlich dafür, dass wir die Kälberställe anschauen durften und uns jede Frage beantwortet wurde! Wir wünschen weiterhin viel Glück und Gesundheit in Haus, Hof und Stall!

Die Veranstaltungen fanden in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Fokus Tierwohl statt.

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